Bunkerbau in Wilhelmshaven
Hervorgerufen
durch die strategisch wichtige Lage der Stadt Wilhelmshaven, begann man hier
wie auch in anderen Städten sehr intensiv, sich mit dem Schutz der Bevölkerung
bei möglichen Luftangriffen auseinanderzusetzen. Man wußte bereits
Mitte der dreißiger Jahre, daß Wilhelmshaven ein begehrtes Ziel
feindlicher Flieger sein würde, träte der Kriegsfall ein. Der Bau
von Bunkeranlagen begann in Wilhelmshaven 1939 mit der Errichtung von lediglich
splittersicheren, verklinkerten Rundtürmen auf zwei Ebenen mit geschützten
Eingangsvorbauten, welche unter anderem in der ehemaligen "Adolf Hitler Siedlung"
zwischen Banter Weg und Werftstraße, sowie in den äußeren
Ringgebieten wie zum Beispiel Rüstersiel, Himmelreich (2,5 Ebenen) und
Fedderwardergroden standen. Weitere Türme befanden sich an der Grenzstraße,
sowie der Börsenstraße. Einige sind noch heute erhalten, zwei wurden
zu Wohnungen umfunktioniert. Beinahe zeitgleich wurde mit der Fertigung des
ersten Wilhelmshavener Luftschutzturmes auf dem Gelände der ehemaligen
Wasserwerke an der damaligen Kaiserstraße, heute Werftstraße begonnen.
Der Turm war als bombensicher eingestuft ,was zumindest auf die Verhältnisse
der frühen Kriegsjahre zutreffen sollte, war von der Form her raketenähnlich,
(eine Ähnlichkeit zum Patent Winkel des Architekten Leo Winkel bestand)
und hatte splittergeschützte Eingangsbereiche. Er wurde nach dem Krieg
entfestigt und in den 70er Jahren abgerissen. Das Besondere war der Beobachterstand
auf der Turmkuppel. Ein Bunker der gleichen Bauart entstand später auf
dem Kriegsmarinewerftgelände in Höhe der heutigen Jachmannbrücke.
Nach dem Krieg gesprengt, wurde die verbliebene Kuppel Ende der 70er Jahre
entfernt. Desweiteren wurden Mitte 1939 bis unmittelbar vor Kriegsbeginn diverse
Erd-Deckungsgräben, sowie Feuerlöschteiche ausgehoben. Die Gräben
hatten lediglich eine geringe Splitterschutzwirkung und waren in keiner Weise
verstärkt, weshalb sie besonders durch die nach Regenfällen aufgeweichte
Erde sehr kurzlebig waren, da sie einfach zusammenfielen.
Viele Keller waren inzwischen verstärkt worden und zu provisorischen Luftschutzkellern ausgebaut worden. Die Wilhelmshavener ahnten, daß es Krieg geben könnte. Der Bau der Gräben, der verklinkerten Rundbauten und des Wasserwerk- Turmes sorgten für Beunruhigung in der Bevölkerung...
Und
der Kriegsausbruch kam am 1.September des Jahres 1939.
Bereits am 4. September 1939, einen Tag nach der Kriegserklärung alliierter Seite, fand der erste Angriff auf Wilhelmshaven statt. Dabei stürzte ein brennender feindlicher Jagdbomber auf die Deckaufbauten des kleinen Kreuzers Emden, der zu dem Zeitpunkt an der Wiesbadenbrücke lag. Darauf setzte eine einmalige panikartige Flucht der Bevölkerung aufs Land ein. Sie kehrte jedoch bald wieder zurück und wurde von da ab Schritt für Schritt, Alarm auf Alarm auf die Katastrophe vorbereitet, welche in den nächsten Jahren kommen sollte. Von nun an mußte sich die Bevölkerung an Verdunklungsverordnungen und Lebensmittelrationierungen gewöhnen. In beinahe sechs darauffolgenden Jahren sollte Wilhelmshaven zu den am meisten durch Luftkriegseinwirkung zerstörten Städten Deutschlands werden.
Am 5. September 1939 trafen sich in einem Wilhelmshavener Cafe acht Hochbauamtmitarbeiter. Es fand hier sozusagen die erste Sitzung des Wilhelmshavener Luftschutzbauamtes statt. Schnell war man sich darüber im klaren, daß der bereits existierende Schutz durch die wenigen Rundbauten und Gräben, sowie der einzelnen Anlagen für Partei und Kriegsmarine niemals ausreichen würde, um die Wilhelmshavener Bevölkerung ausreichend zu schützen. Man veranlasste, daß Gebäude getarnt wurden, helle Flächen wurden dunkel gestrichen. Gasschleusen wurden in Luftschutzkeller integriert, aus Angst vor möglichen Giftgasangriffen. Fenster der Keller wurden mit Sandsäcken geschützt, sowie durch Betonblenden verstärkt. Das gleiche galt für viele Kellereingangsbereiche. Als weiteres wurden Durchbrüche zu Nachbarkellern geschaffen, um im Fall des Einsturzes eines Hauses die Flucht der Kellerinsassen ins Nachbarhaus zu ermöglichen. Ein Problem im Gegensatz zu anderen deutschen Städten war der hohe Grundwasserspiegel. Dementsprechend waren weniger Häuser unterkellert, als es optimal gewesen wäre. Diese Tatsache des Grundwasserspiegels ist auch der Grund, warum in Wilhelmshaven sehr wenig Tiefbunker entstanden (unter anderem der heute mit einer Sporthalle überbaute Bunker Banter Markt, der Bunker Wiesbadenbrücke und der unter der Halle des Städtischen Verkehrsbetriebes gelegene Bunker Admiral-Klatt-Straße).
Nachdem
im Frühherbst 1940 erste Angriffe der RAF (Royal Air Force) auf die Reichshauptstadt
Berlin erfolgten, erließ Adolf Hitler als Folge die sogenannte Führerweisung,
das Führerbauprogamm zur Errichtung von bomben- ,trümmer- und splittersicheren
Bunkern. Albert Speer, Hitlers Architekt, wurde zunächst mit der Aufgabe
betraut, Pläne zu entwerfen, später auch die Organisation Todt,
welche später dann neben Speer ebenfalls den Bau durchführen ließ.
Luftschutzbunker sollten sich harmonisch in das Städtebild
einfügen. Sie sollten Standhaftigkeit, Wehrhaftigkeit, die Ausstrahlung
eines Monumentes verdeutlichen. Aufgrund der Führerweisung setzte auch
in Wilhelmshaven der Bunkerbau ab Oktober 1940 ein. Am 23.10.1940 wurde beschlossen,
mit dem Bau in den am meisten gefährdeten Stadtteilen Tonndeich und Heppens
zu beginnen. In den darauffolgenden Jahren entstand bis Mitte 1944 eine Unzahl
von Luftschutzbauten...
Im späten Kriegsverlauf wurde nur noch wenig Wert auf Ästhetik gelegt:
Teils, weil sowieso in der Umgebung des zu bauenden Bunkers nur noch Trümmer und Krater anzufinden waren und keine Wohnbebauung mehr, in die der Bunker sich hätte einfügen sollen.
Teils, weil Zeit, Beton und Gelder nicht mehr vorhanden waren.
Im gesamten Stadtgebiet entstand unter anderem eine Serie von beinahe bauartgleichen Rundbauten mit einer Ebene, Spitzdach und von außen zu öffnendem Notausgangsblock aus Beton. Er mußte von Rettungskräften nach Angriffen, falls die Eingangstür versperrt war , mit Lastmaschinen herausgezogen werden. Die Haken aus Stahl befinden sich teilweise noch an der Außenseite der Notausstiege. Nachteil dieser Rundbauten war der nicht vorhandene Splitterschutzvorbau am Eingangsbereich. Lediglich im Inneren war hinter der Tür eine Betonwinkelwand als (wirkungsloser) Schutz vorhanden. Die Bevölkerung konnte auf an den Innenseiten angebrachten Bänken platznehmen. Gut ist der Aufbau dieser Bunker ohne ein "Betreten" an der heute noch vorhandenen Zerschellerplatte in einem Garten an der Sachsenstraße zu erkennen. Auch der ehemals vorhandene Mittelsäulenstandort kann noch ausgemacht werden. Diese Rundbauten standen unter anderem in der Stadtparkkolonie und an der Oststraße, einer diente der NSDAP- Kreisleitung im Hof des Robert Koch Hauses als Schutz, einige standen auf Schulhöfen, davon drei im Bereich Schule Bremer Straße. Noch heute sind diese Bauten vereinzelt vorzufinden, teilweise friedlich- unschuldig bemahlt. Zwei kleine Rundbauten ähnlicher Bauart, sogenannte Einsatzbunker, wurden am Altengrodener Weg und in Rundum gebaut. Sie waren jedoch angedeutet 16- eckig. 4 andere bauartgleiche Rundbauten entstanden im Stadtgebiet. Am Manteuffelplatz, an der Jadewerft (Bootsschuppen) und zweimal am Lager Totenweg. Sie besaßen wiederum Splitterschutzvorbauten vor den Eingängen. Das alte Pumpwerk, gegenüber der Jadewerft an der Deichbrücke, wurde verbunkert.
In allen Stadtteilen entstanden große Klotzbunker (Luftschutzhäuser). Drei OP- Bunker wurden gebaut. An der Virchowstraße, am Willehad- Hospital und in Sanderbusch am Krankenhaus. Sie sollten Schutz für das Personal und Patienten bieten und Operationen auch während der Angriffe ermöglichen. Noch heute sind diese Anlagen als Hilfskrankenhäuser eingerichtet. Ebenfalls entstand auf dem Gelände des alten städtischen Krankenhauses am Bahnhof ein bombensicherer Bunker.
Die Klotzbunker hatten verschiedene Ausmaße. Sie fügten sich durch ihre Bauweise am Anfang recht ästhetisch ins Stadtbild. In der flach bebauten Siedlung Bant entstanden zweigeschossige Bunker. In anderen, höher bebauten Stadteilen, drei- bis viergeschossige Anlagen. Drei Bunker mit Spitzdach wurden errichtet. Am Banter Weg, der Heppenser Straße und dem Heppenser Berg. Dieser dient heute neben den Anlagen Baugrodenstraße, Arngaststraße/ Rüstringer Straße und Westbahnhof dem Zivilschutz. Deckungsgräben in betonierter Form wurden errichtet an der Schule Neuende, am Potenburger Weg, am Gartenweg, in Fedderwardergroden und zweimal am Botanischen Garten. Fünf dieser Gräben sind vorhanden. Sogenannte "Herzbruchstollen", benannt nach dem Konstrukteur, wurden sechsmal im Stadtgebiet errichtet. Der runde Hauptbunkerkörper konnte durch mehrere Eingangsbauwerke betreten werden. Alle sechs Anlagen wurden beseitigt. Erwähnenswert sind auch die beiden Klotzbunker, welche bauartgleich an der Paulstraße und der Marktstraße West entstanden.
Eine Vielzahl unterschiedlichster Kleinbunker wurde, teilweise auch privat, in allen Stadtteilen erbaut.
Man setzte hohen Wert auf den Aushub von Feuerlöschteichen. Dieses Teichnetz galt aber erst im Jahre 1943 als vollendet. In den Vorstadtsiedlungen von Wilhelmshaven entstanden sogenannte "Zellenbunker". Jeder Vorstadtteil hatte "seinen" Bunker. Gut zu sehen ist das heute am Beispiel Rüstersiel. Die Zellenbunker Sanderbusch (1943 eingemeindet zu Wilhelmshaven), Cäciliengroden, Altengroden und Fedderwardergroden wurden nicht mehr fertiggestellt. Das Musterbeispiel Mariensiel wurde höchstwahrscheinlich unmittelbar nach Kriegsende gesprengt und später dann beseitigt. Flakanlagen entstanden unter Führung der verbunkerten Flakleitstelle Rosenhügel im Stadtpark, Fort Schaar, Heppenser Deich, Geniusbank, 4.Einfahrt, 3.Einfahrt, 2.Einfahrt, 1.Einfahrt, am Banter Seedeich, sowie in Cäciliengroden, Fedderwarden, Sengwarden, Fedderwardergroden und Voslapp. Reste der Bunkerstellungen sind teilweise noch gut zu erkennen.
Die Marine legte im Stadtgebiet und Werftgebiet ihre eigenen Bunker an, welche aber in späteren Kriegstagen auch der Zivilbevölkerung offenstanden. Dazu gehörten fünf bauartgleiche Luftschutztürme einer eigenwilligen, sehr riskanten Bauart mit aufgesetztem Turmbeobachterstand. Ein Volltreffer hätte wahrscheinlich durch den Schwachpunkt des Beobachterstandes ein Massaker im Inneren verursacht. Zwei Türme standen an den Landungsufern des Fliegerdeiches, einer an der damaligen Tausendmannkaserne, einer auf der Hafeninsel und einer im Werftgelände. Alle fünf Bauten wurden nach dem Krieg restlos abgetragen. Es wurde viermal der standartisierte Truppenmannschaftsbunker 750 gebaut. Alle vier Bauwerke sind noch heute erhalten und sind wohl die markantesten Anlagen in Wilhelmshaven. Es wurde das Unikat des Truppenmannschaftsbunkers 1500 in der Ebertstraße gebaut. Um Beton und Standortplatz zu sparen, wurden zwei Mannschaftsbunker 750 vereint. Der Hochbunker bekam später den Propaganda- und Aufmunterungsnamen in harten Tagen -"TRUTZ"- aufgesetzt. An der Hafenbaukaserne entstand ein Luftschutzturm der seltenen Bauart Dietel. Er wurde nach dem Krieg gesprengt und blieb in Schieflage bis in die achtziger Jahre erhalten. Im Wilhelmshavener Volksmund bekam er den Namen "Schiefe Mütze". Zwei markante Luftschutzrundtürme wurden an der heutigen Kortekreuzung, Gökerstraße/ Ecke Bismarckstraße, am damaligen Kurparkeingang errichtet. Dazwischen lag das sogenannte "Adolf Hitler Tor". Sie hatten den Charakter einer mittelalterlichen Wehranlage.
Das wirklich Interessante war der ungleichmäßig starke Prozentanteil an Luftschutztürmen in Wilhelmshaven!
Weitere bauartgleiche
Rundtürme einer anderen Serie entstanden im näheren Ringgebiet,
jedoch nicht im Stadtkern. Sie hatten einen angesetzten Lüftungsturm
und vor den Türen Schutzvorbauten. Gleichzeitig waren sie die höchsten
LS- Türme in Wilhelmshaven, weshalb sie leider bei Nahtreffern auch am
meisten schwankten. Eine 16- Eck LS-Turmserie entstand auf der Werft, in Heppens
und am Banter Lager. Lediglich ein Turm hat die Nachkriegszeit unversehrt
überstanden.
An vielen Luftschutztürmen lassen sich an den Außenwänden Metallstreben finden, welche für die später vorgesehene Verblendung angebracht wurden. Heute ist nur noch ein Beispiel einer reellen Luftschutzturmverblendung vorhanden. An der Ecke Gökerstraße/ Rheinstraße. Zwei Luftschutztürme der Bauart Zombeck wurden sehr früh im Krieg gebaut. Sie hatten im Gegensatz zu anderen Türmen keine Geschosse, sondern nur eine schneckenförmig nach oben laufende Rampenebene. Die eindrucksvolle Ruine eines Zombeckturmes ist an der Rheinstraße zu sehen. Der andere Turm befand sich auf dem Wilhelmsplatz und wurde bald nach Kriegsende gesprengt und beseitigt. Am Lager Langewerth wurde von der Marine eine Art modifizierter Truppenmannschaftsbunker 750 errichtet. Er war einer der ersten, welche nach dem Krieg von den Engländern gesprengt wurden, leider nicht ohne Verluste für die Nachbarbebauung.
Bis ins Jahr 1944 entstand in Wilhelmshaven mit seinen Vororten Fedderwarden, Sengwarden, Mariensiel, Middelsfähr, Roffhausen, Sande und Cäciliengroden die eindrucksvolle Zahl von über 300 Luftschutzanlagen, welcher es die Bevölkerung zu verdanken hatte, daß die Rate an Luftkriegsopfern im Bereich Wilhelmshaven mit 435 Toten im Vergleich zu anderen Städten verhältnismäßig gering war. Wilhelmshaven war total verbunkert!
In der Nachkriegszeit wurden Anlagen auf Weisung der Besatzer hin gesprengt und beseitigt, abgerissen (bis in die 90er Jahre hinein), oder zu Wohnhäusern umfunktioniert, wie in der Heppenser Straße, Am Bahnhof, an der Störtebekerstraße, an der Kantstraße oder an der Hamburger Straße. Ein Beispiel für halbe Arbeit läßt sich noch in Form eines lediglich entfestigten Bunkers im Bereich Sedan finden.
Wilhelmshaven muß
damals derartig verbunkert erschienen sein, daß trotz der nachträglichen
Entfernung vieler Anlagen, jedem neuzeitlichen Besucher der Stadt die vielen
Bunker- Relikte einer anderen Zeit sofort ins Auge fallen!
Eine Abschlußauflistung und Bewertung des Bunkerkontingentes in Wilhelmshaven wird wohl nie erreicht werden, da in den letzten Kriegswochen 1945 sämtliche Akten nach Böhmen und Mähren ausgelagert wurden und dort verbrannt sein sollen. Eine abschließende Arbeit über dieses Kapitel Wilhelmshavens zu erstellen, wird mit der Zeit nicht leichter. Viele wertvolle Zeitzeugen werden bald nicht mehr unter uns sein.
Deshalb ist es jetzt wichtig, die Auseinandersetzung mit der Thematik am Leben zu halten und mit der Zeit eine annähernd authentische Arbeit zu erstellen.
Dies wird mein
Ziel sein!